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Die sich entwickelnde Lunge von Mensch und Ratte - Unterschiede in der Lungenfunktion.
Pneumologie 61, 481-482 (2007)
Der Mensch und die meisten Säugetiere werden mit einer unvollständig entwickelten Lunge geboren, die postnatal noch verschiedene Entwicklungs- und Wachstumsprozesse bis zur Reife durchläuft. Nachfolgend wird exemplarisch die Lungenfunktionsentwicklung von Mensch und Ratte verglichen, wobei die Ratte als Vertreter für Nagetiere [1] und als häufig genutzte experimentelle Spezies steht. Zu beachten ist, dass die Studien an der Ratte generell am narkotisierten Tier durchgeführt wurden. Morphologische Studien zeigen erstaunliche Parallelitäten zwischen den relativen Änderungen vom Neugeborenen- zum Erwachsenenalter beider Spezies: das Lungenvolumen wächst jeweils etwa um den Faktor 23, das parenchymale (alveoläre) Volumen beim Menschen geringfügig mehr als bei der Ratte, um den Faktor 30 bzw. 27. In beiden Spezies nimmt die alveoläre Oberfläche um den Faktor 21 und die aufgrund morphologischer Kenngrößen abgeschätzte Diffusionskapazität für O2 um den Faktor 33 zu [2]. Nach eigenen Untersuchungen laufen Lungenvolumen- und Gewichtsentwicklung bei der WKY-Ratte zwischen dem 7. und 90. Tag proportional ab. Allerdings steigt das Körpergewicht in diesem Zeitraum um den Faktor 20 (von 22 g auf 420 g) an, während die totale Lungenkapazität (TLC) nur um den Faktor 11 (von 1,3 ml auf 15 ml) zunimmt, so dass sich das spezifische Lungenvolumen mit zunehmendem Alter fast halbiert. Dies ist sicherlich eine Konsequenz der postnatalen Alveolarisierung, die auch bei kleinerem spezifischem Volumen einen adäquaten Gasaustausch gewährleistet. So verdoppelt sich die Diffusionskapazität für Kohlenmonoxid (DCO) pro ml TLC in diesem Zeitraum von 6 auf fast 15 µmol min-1 hPa-1 mlTLC -1. Messungen des seriellen Totraumvolumens (VD) zeigen, dass das Wachstum von Lungenparenchym und Atemwegen bei der Ratte nicht isotrop verläuft. Absolut gesehen steigt VD von 0,21 ml auf 1,38 ml an, aber bezogen auf TLC fällt es von 16 % auf 9 % ab. Entsprechend steigt die Conductance der Atemwege bis zur Lungenreife zwar um den Faktor 5 (von 1,6 auf 7,1 ml s-1 cmH2O-1) an, die spezifische Conductance halbiert sich jedoch von 1,2 auf 0,5 s-1 cmH2O-1. Auch in Bezug auf die Atemruhelage findet sich bei der Ratte eine Entwicklungsabhängigkeit: FRC/TLC fällt von 41 % auf 27 % ab, das relative Residualvolumen (RV) von 22 %TLC auf 14 %TLC. Dies wird auf die veränderten mechanischen Eigenschaften von Thorax und Lunge zurückgeführt [3]. Für die Lungenvolumenentwicklung beim Menschen liegen für Neugeborene und Kleinkinder nur für FRC zuverlässige Messungen vor. Die Bestimmung von TLC ist schwierig und wird häufig unter Berücksichtigung der „Crying”-Vitalkapazität abgeschätzt. TLC soll beim Neugeborenen etwa 200 ml (60 ml/kg) und FRC 90 ml (25 ml/kg) betragen. Mit zunehmendem Alter steigen FRC und TLC dann überproportional zur Körpergröße an, um in der ausgewachsenen Lunge 30-fach höhere Werte als beim Neugeborenen zu erreichen. FRC liegt dann bei 3 L (40 ml/kg) und TLC bei 6 L (85 ml/kg, [4]). Anders als bei der Ratte ist die spezifische TLC des Neugeborenen und des Erwachsenen beim Menschen somit vergleichbar. In Bezug auf den Gasaustausch findet man zwischen dem 5. und 18. Lebensjahr eine annähernd volumenproportionale Zunahme von DCO, so dass die spezifische DCO mit 2 - 3 µmol min-1 hPa-1 mlTLC -1 nahezu konstant bleibt; allerdings liegt die spezifische DCO damit deutlich niedriger als bei der Ratte. Beim Menschen bleibt das FRC/TLC-Verhältnis in dieser Wachstumsphase unverändert (45 %), die relative Größe des RV fällt dagegen, wie bei der Ratte, ab (von 27 %TLC auf 23 %TLC). Veränderungen der Lungenmechanik, aber auch die Zunahme der Anzahl von Alveolen werden als Ursache hierfür diskutiert. Die Frage der Isotropie, also des proportionalen Wachstums von Atemwegen und Lungenparenchym, wird beim Menschen kontrovers diskutiert. Ergebnisse aus maximalen exspiratorischen Manövern sprechen zum einen für relativ größere Atemwege beim Neugeborenen [8], werden aber auch auf eine dynamische Änderung von FRC zurückgeführt [9]. Messungen der spezifischen Atemwegsconductance zeigen bei Frühgeborenen innerhalb der ersten Lebenswochen einen deutlichen Abfall [10], was für ein überproportionales Wachstum des Lungenparenchyms spricht. Untersuchungen von Hart [11] zeigen bei Kindern ab dem 5. Lebensjahr eine lineare Korrelation zwischen VD und FRC. Ab diesem Alter wird auch für Atemwegsconductance und dynamische Compliance eine lineare Korrelation mit FRC beschrieben [7], so dass in dieser Wachstumsphase offensichtlich von einem isotropen Lungen- und Atemwegswachstum auszugehen ist. Insgesamt gesehen zeigen sich also eindrucksvolle Parallelitäten, aber auch spezifische Unterschiede in der Lungenfunktionsentwicklung beider Spezies, die sicherlich auf die jeweiligen Anforderungen abgestimmt sind und die bei der Extrapolation von tierexperimentellen Ergebnissen auf den Menschen berücksichtigt werden müssen.
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Publikationstyp
Artikel: Journalartikel
Dokumenttyp
Wissenschaftlicher Artikel
ISSN (print) / ISBN
0934-8387
e-ISSN
1438-8790
Konferenztitel
10. Workshop des Arbeitskreises
Zeitschrift
Pneumologie
Quellenangaben
Band: 61,
Heft: 7,
Seiten: 481-482
Verlag
Thieme
Verlagsort
Stuttgart
Nichtpatentliteratur
Publikationen
Begutachtungsstatus
Peer reviewed
Institut(e)
Lung Health and Immunity (LHI)