Zielsetzung Komplikationen der
Frühgeburt sowie ihre Langzeitfolgen sind ein zentrales Thema in der
Neonatologie, unter anderem, da das Risiko für die meisten
Komplikationen in den letzten 25 Jahren nicht gesenkt werden konnte [1]. Pränatale Ursachen für diese Erkrankungen werden diskutiert [2].
Auch das Mikrobiom rückt hier stärker in den Fokus der Wissenschaft. So
konnten zum Beispiel Zusammenhänge zwischen Antibiotikagaben,
Probiotikatherapie sowie Muttermilchgaben und der nekrotisierenden
Enterokolitis und late-onset Sepsis (LOS) gefunden werden [3]
[4].
Kürzlich beschrieben wir Assoziationen zwischen den mikrobiellen
Strukturen einzelner Bakteriengattungen im Fruchtwasser und dem
Schweregrad der bronchopulmonalen Dysplasie (BPD) [5].
Ziel dieser Studie war es, zu untersuchen, ob vergleichbare
Assoziationen auch für weitere Komorbiditäten der Frühgeburt und die
kognitive und psychomotorische Entwicklung mit zwei Jahren bestehen.
Material und Methoden 126 steril
gesammelte Fruchtwasserproben einer prospektiven Kohorte
Frühgeborener<32+0 Schwangerschaftswochen (Universitätsklinikum
Gießen, 07/2015 – 05/2020) mittels Sequenzierung des 16S-rRNA Gens auf
mikrobielle Strukturen untersucht. Mögliche Zusammenhänge mit
Komorbiditäten der Frühgeburtlichkeit (Atemnotsyndrom (ANS),
intraventrikuläre Hämorrhagie (IVH), LOS und Frühgeborenenretinopathie
(ROP) sowie der kognitiven (MDI) und motorischen (PDI) Entwicklung im
korrigierten Alter von 2 Jahren (BSID III) wurden analysiert. Hierfür
wurden Diversität, Komposition sowie Unterschiede in den Abundanzen der
einzelnen Gattungen untersucht. Eine Zustimmung der Ethikkommission der
JLU Gießen (Az 135/12) sowie schriftliche Einverständnis der Eltern
lagen vor.
Ergebnisse und Zusammenfassung 70 Proben
erfüllten die Analysekriterien. Während sich für alle Outcomes keine
Unterschiede in der Alpha- und Betadiversität ergaben, zeigten sich
Assoziationen zwischen einem ANS Grad 3-4 bzw. ROP≥Grad 3 mit der
Escherichia-Shigella Gattung, aber nicht mit einer relevanten
Entwicklungsstörung (PDI<85/ MDI<85). Prädominanz der Species
Ureaplasma und Enterococcus war assoziiert mit einem Outcome ohne akute
oder längerfristige Morbiditäten. Für IVH und late-onset Sepsis waren
aufgrund niedriger Fallzahlen keine Analysen der einzelnen Abundanzen
möglich.
Die Ergebnisse geben Hinweise, dass eine frühzeitige Identifikation
der Frühgeborenen mit hohem Risiko für akute schwere Morbiditäten anhand
des Mikrobioms möglich sein könnte. Unsere Erkenntnisse sprechen für
die Hypothese, dass pränatale Faktoren zu den typischen akuten
Morbiditäten der Frühgeburt beitragen, während für die weitere
Entwicklung postnatale Faktoren eine größere Rolle spielen könnten.