Bei Selenocystein (Sec) handelt es sich um die 21igste Aminosäure. Im Gegensatz zu anderen Aminosäuren ist der Einbau von Selenocystein in die entstehende Polypeptidkette sehr viel komplexer, da Sec von dem Opal Stopcodon UGA codiert wird. Eine komplexe und hochentwickelte Maschinerie ist erforderlich um den korrekten, ko-translationalen Einbau von Sec in Proteine zu gewährleisten. Auch nach Jahren intensiver Forschung ist es immer noch weitgehend unklar, warum Selenoproteine für das Säugerleben unverzichtbar sind. Diese Studie hatte deshalb zum Ziel, diese Frage etwas genauer zu beleuchten, wobei die Glutathion-Peroxidase 4 (GPx4) als Modellenzym verwendet wurde. Es ist bekannt, dass GPx4 sowohl für die Embryonalentwicklung, den Schutz von Neuronen und der Retina sowie für die männliche Fertilität von Mäusen unverzichtbar ist. Dennoch sind viele Fragen bezüglich der Funktionsweise und möglicher Unterschiede von Selenothiol- zu Thiolbasierter GPx4 Katalyse in Zellen und Mäusen ungeklärt. Ebenso wie die genaue Funktion der katalytischen Tetrade bei der GPx4 Katalyse, und die subzellulare Lokalisation der verschiedenen GPx4 Isoformen und deren Einfluß auf den zellulären Schutz bislang ungeklärt sind. Deswegen wurden in dieser Arbeit eine Reihe von GPx4 Mutanten durch zielgerichtete Mutagenese erzeugt. Diese wurden stabil in Tamoxifen-induzierbaren GPx4 knockout Zellen (Seiler et al., Cell Metab 2008) exprimiert und auf ihre Funktionalität analysiert. Die verschiedenen GPx4 Mutationen beinhalteten Mutanten des Sec im aktiven Zentrum, der katalytischen Tetrade, der mitochondrialen Signalsequenz (Mls) sowie der nicht peroxidativen Cysteine. Die hier vorgelegten Untersuchungen zeigen, dass Cys in der Lage ist das Sec im aktiven Zentrum, unter Aufrechterhaltung eines Großteils der Funktionalität, in der Zelle zu ersetzen, wohingegen einige der Aminosäuren der katalytischen Tetrade unentbehrlich für die Funktionalität von GPx4 sind. Keines der übrigen, in GPx4 vorhandenen, Cys wurde benötigt, um die zelluläre Schutzwirkung von GPx4 aufrecht zu erhalten. Dieses Ergebnis schließt die Existenz eines auflösenden Cys im katalytischen Kreislauf von GPx4 aus. Dies steht im Gegensatz zu den Cys tragenden Homologen in anderen Organismen, welche über ein auflösendes Cys verfügen. Die Funktion des auflösenden Cys besteht darin, einen nukleophilen Angriff auf die intermolekulare Bindung zwischen dem peroxidativen Cys und dem Substrat zu starten. Durch diesen Angriff wird die intermolekulare Bindung in eine intramulekulare Disulfidbrücke umgewandelt. Die Lokalisation von GPx4 im extramitochondrialen/cytosolischen Raum ist zudem entscheidend für den Schutz vor Zelltod, da eine Überexpression der mitochondrialen GPx4 nicht in der Lage war, den durch Ausschalten der endogenen GPx4 verursachten Zelltod zu verhindern.